Diabetische Ketoazidose: ein Notfall
Jede Zelle des Körpers braucht Energie, um ihre Funktionen zu erfüllen. Am leichtesten gewinnen die Zellen ihre Energie aus einfachen Kohlenhydraten, vor allem aus Glukose (Traubenzucker). Wenn der Körper jedoch nicht genug Zucker zur Verfügung hat, findet er auch andere Wege, um Energie zu gewinnen. Er kann z.B. die Fettreserven angreifen.
Beim Abbau von Fettsäuren entstehen sogenannte Ketonkörper (Ketone). Das ist die Bezeichnung für eine bestimmte Gruppe von Substanzen. Ein Vertreter der Ketone ist das Aceton, das im Alltag als Nagellackentferner bekannt ist.
Steigen die Ketone im Blut überdurchschnittlich an, spricht der Mediziner von Ketose. Zu viele Ketone machen das Blut sauer. Dadurch führen sie zu einer akuten Übersäuerung (medizinisch: Azidose).
Die Ketoazidose ist also eine Überladung des Blutes mit Ketonkörpern, verbunden mit einer Azidose. Eigentlich dürfte sie nur in Situationen von extremem Kohlenhydratmangel vorkommen. Doch bei Diabetikern kann sie auch als Folge eines Insulinmangels auftreten.
Zu viel Zucker - zu wenig Zucker
Diabetes mellitus ist die Folge eines Insulinmangels. Insulin ist ein Hormon, das in der Bauchspeicheldrüse produziert wird und vor allem den Zuckerstoffwechsel steuert. Insulin ist notwendig, um Glukose aus dem Blut in die Zellen zu schleusen. Denn die Glukose kann nicht einfach aus dem Blut in die Zellen "sickern".
Bei beiden Typen des Diabetes kann es zur Ketoazidose kommen. Das Besondere: Der Körper insgesamt hat gar nicht zu wenig Kohlenhydrate. Der Nährstoff ist nur falsch verteilt.
Wenn zu wenig Insulin zur Verfügung steht oder das Hormon nicht richtig wirkt, fehlt der "Schlüssel", um die Glukose aus dem Blut in die Zellen zu bringen. Der Zucker "staut" sich im Blut ("Überzuckerung", medizinisch: Hyperglykämie).
Gleichzeitig "hungern" die Zellen, weil sie an die Glukose im Blut nicht herankommen. Der Körper startet sein Notprogramm, um die Zellen mit Energie zu versorgen: Er greift die Fettreserven an, Ketonkörper werden frei.
Nun schwimmen zwei problematische Substanzen im Blut: Die Glukose und die Ketone. Beide sind im Übermaß schädlich, der Körper muss sie loswerden. Ein Weg ist die Atmung: Die Ketone werden über die Atemluft ausgeschieden. Als Folge davon tritt ein ganz besonderer Mundgeruch auf. Er wird als "wie Nagellackentferner" oder auch "fruchtig" beschrieben. Gleichzeitig kann der Körper mit dem Ausatmen auch Kohlendioxid loswerden. Das senkt die Säurebelastung im Blut.
Der zweite Weg ist der Harn: Über die Nieren werden der überschüssige Blutzucker und weitere Ketonkörper ausgeschieden. Dabei gehen allerdings auch viele Mineralien (Elektrolyte) verloren, die für den Stoffwechsel lebenswichtig sind.
Die Erkennungszeichen für eine Ketoazidose sind also:
- Sehr tiefe, geräuschvolle Atmung ("Kussmaulsche Atmung", benannt nach dem Mediziner Adolf Kussmaul)
- Acetongeruch in der Atemluft
- Häufiges Wasserlassen und starker Durst
Hinzu kommen:
- Bauchschmerzen
- Appetitlosigkeit
- Übelkeit und Erbrechen
- Schläfrigkeit, Bewusstseinsstörungen und Apathie
Der Betroffene fällt schließlich ins Koma. Er kann an Herz-Kreislauf-Versagen oder Thrombose sterben. Eine diabetische Ketoazidose ist immer ein Notfall und verlangt schnelles Handeln.
Hilfe und Vorbeugung
Diabetiker, die bereits in Behandlung sind, sollten darüber informiert sein, wie man die Vorläufer einer Ketoazidose erkennt und im Notfall richtig handelt, z.B. durch eine geeignete Insulininjektion. Auch die Angehörigen sollten Bescheid wissen.
Im Zweifel muss der Notarzt gerufen werden - spätestens dann, wenn sich der Zustand durch Insulin und die Zufuhr von viel Flüssigkeit und Elektrolyten nicht bessert. Der Patient wird dann im Krankenhaus behandelt, eventuell sogar auf der Intensivstation.
Je eher bei einer Ketoazidose gegengesteuert wird, desto besser sind die Chancen, dass sie ohne Komplikationen und Folgeschäden verläuft. In vielen Fällen wussten die Betroffenen bis zum Auftreten der Ketoazidose nicht, dass sie überhaupt an Diabetes erkrankt sind.
Bei Diabetes-Patienten, die bereits in Behandlung sind, kann eine Ketoazidose bei schlecht eingestellten Blutzuckerwerten auftreten. Mit regelmäßiger Kontrolle kann man vorbeugen.
Insulinpflichtige Diabetiker können in eine Ketoazidose rutschen, wenn sie zu wenig Insulin spritzen. Mögliche Ursachen: eine Spritze vergessen, Ausfall der Insulinpumpe, unwirksames Insulin (zu kalt oder zu warm geworden).
Ein häufiger Auslöser für Hyperglykämie und Ketoazidose sind Infektionskrankheiten mit Fieber. Sie erhöhen den Insulinbedarf. Diabetiker müssen in diesem Fall Insulin spritzen, obwohl sie krankheitsbedingt vielleicht nur wenig gegessen haben.
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